Montag, 29. Februar 2016

29. Februar 2016 | Schreibblockaden und Wege

Ich halte die Finger über die Tasten und weiß nicht, was ich tippen soll.

Vielleicht etwas Tagesaktuelles: MRT Schädel war angenehm, auch wenn ich währenddessen nicht geschlafen habe (sonst mache ich das gerne, sehr entspannend!). Vom früheren Tumorbrockenbild sind momentan nur ein paar Striche da, aber (Zitat Arzt) "das heißt natürlich nicht, dass der Tumor weg ist". Ein wenig freuen darf man sich natürlich dennoch. Die Stimme macht immer noch Urlaub und die Mundschleimhaut Terror, aber für beides werde ich morgen neue Mittel verwenden. Ob ich einen Erfolg erwarte? Ich habe gelernt, keine hohen Erwartungen zu setzen. Auf Medikamente verlasse ich mich aber immerhin mehr als auf Menschen.

Vielleicht etwas Philosophisches: Glück ist nicht Glück, wenn man es nicht mit anderen teilen kann (Abschlusssatz einer alten Französischklausur von mir). Finde ich aber doof. Meine Bloodborne-Erfolge muss ich mit niemandem teilen. Die zittrigen Hände nach einem kaum erwarteten Erfolg sind meine allein. Lass' ich's Philosophieren also lieber sein. Ha, das hat sich gereimt (natürlich ganz spontan und ungewollt).

Vielleicht also etwas Poetisches. Wenn Dimi keine Schmerzen hat, und wenn es warm ist und er satt, - was doch die meiste Zeit so ist - er gerne in die Hose...nein-nein. Besser nicht. Das wird nichts mehr heute. Brauche nur noch einen Weg, mich geschickt wegzuschleichen, und der führt natürlich über die Treppenstufen einer feinen Liste:

5 Werke über ungewöhnliche Wege


1. Children of Men von Alfonso Cuarón

In einer Zukunft, in der alle Menschen seit Jahren unfruchtbar geworden sind, rennt, schleicht und fährt unser Protagonist immer hin und her, hin und her, bis er immer wieder dort ankommt, wo er angefangen hat. Was könnte das bloß bedeuten?

2. The Stanley Parable von Galactic Cafe

Was passiert, wenn eine (Spiel-)Figur von ihrem vorgegebenen Weg abweicht? Alles, was passieren kann, wenn eine fast allmächtige Stimme über einem wacht. Bleib doch einmal bitte auf deinem gottgegebenen Pfad! Aber solange es eine Wahl gibt, kann es immer einen anderen Weg und eine eigene Geschichte geben. Ich lass' mir doch von einem Computerspiel nichts vorschreiben.

3. Gravity von Alfonso Cuarón

Der Alfonso hat's schon mit Wegen (und mit meinen Listen). Hier schwebt eine Frau nach einem Unfall um die Erde und glaubt gar nicht mehr daran, dass sie überhaupt zurück will, geschweige denn kann. Aber wo der Wille, da ist die Kraft und solange man eine Wahl hat, kann man sich immer für's Leben entscheiden (habe ich sie auch?). Solange es Leben gibt, wird es Leben geben. Und solange es den Willen zum Leben gibt, wird es nicht enden (oder so).

4. The Binding of Isaac/The Binding of Isaac: Rebirth von Edmund McMillen und Florian Himsl

Wenn Gott höchstpersönlich deine eigene Mutter darum bittet, dich zu töten, bleibt nur der Weg nach unten und in die Tiefe. In dunkle Höhlen und Katakomben bis ins Herz deiner Mutter. Der eigentliche Gegner sitzt aber weit tiefer und ist man am Ende nicht selbst sein größter Feind? Begleitet von fast jedem christlichen Motiv beginnt eine nimmerendende (Stichwort: (bewältigte) Suchterkrankungen) Reise ins Düstere und ins Innere, die doch zu nichts Gutem führen kann.

5. Enter the Void von Gaspar Noé

Der Weg in den Tod und der Weg nach dem Tod, zurück ins eigene Leben, voller Eindrücke und Tragödien. Life's a bitch and then you die. Aber auch mit diesem Einblick kann es nur einen möglichen Weg geben: Zurück in dieses oft schmutzige, oft traurige, aber auch einzigartige Leben. Trotz allem. Könnte das größte filmische "Ja!" zur menschlichen Existenz sein.

Donnerstag, 25. Februar 2016

25. Februar 2016 | Die Hölle ist in uns

Nämlich im eigenen Mund, wenn sich die Schleimhäute (vermutlich durch eine der Chemopillen) entzündet haben und beim Zähneputzen irgendwann quasi der ganze Mund brennt. Ich frage mich, wie das Drachen aushalten sollen. Schön ist das nicht und dabei ist mir Mundhygiene doch so wichtig.

Natürlich sind gelegentliche Schmerzen besser als durchgehende Schmerzen, in dem Sinne geht's mir also gut. Wenn ich jetzt noch genug Stimme hätte, um das der Welt entgegenschreien zu können. Aber dafür habe ich ja meinen Blog.
Jedenfalls sollte sie am besten bald zurückkehren. Ich muss ja noch Theater spielen (ich muss eigentlich gar nichts, aber das schon, irgendwie).

Mir fällt jetzt auch auf, dass ich den schönen Satz "Ich muss gar nichts, außer sterben!" nicht mehr ohne ein schlechtes Gewissen sagen kann. Schade, ich habe ihn sehr gemocht.

Gestern: Im Heimkino gewesen. Inside Out (Alles steht Kopf) geschaut. Etwas geweint. Pixar kann das gut, meinen Flüssigkeitshaushalt beeinflussen. Schön, dass es darum geht, dass Traurigkeit so wichtig ist wie Freude. Aber ich bin doch gar nicht traurig. Ich bin höchstens müde und kalt, wenn ich jeden Tag draußen rumlaufen muss. Aber von müde und kalt ist noch niemand gestorben (nicht bei diesen Temperaturen, zumindestens).

HIER LIEGT DMITRIJ PANOV. ER WAR MÜDE UND IHM WAR KALT. ARMER BUBU.

Die wichtigen Fragen des Lebens: Was will ich essen? Was will ich spielen? Was will ich schauen? Was will ich lesen? Wen lade ich als Nächsten zu einem Filmabend ein? Klingt einfacher, als es ist. Gott sei Dank habe ich ja Listen für alles. Und bestimmt noch mehr für euch.

Sonntag, 21. Februar 2016

21. Februar 2016 | Schlaf und Sehnsucht

Ich moderiere gerne "Werwölfe". Und dann stehe ich da und frage mich laut: "Wo sind wir eigentlich?" Und die Leute sagen: "Wir sind bei *das Dorf schläft ein*." Und ich sage: "Nein, ich meine: wo sind wir?"

Gestern war es das Großdorf Marburg, wo fiese Burschenschafter eingefallen sind, sowie ein Freude-Glitzer-Einhorncommunity, die von Schlankheits-eifersüchtigen Nashörnern heimgesucht wurde. Das war schön. Jede Nacht und jeden Tag ist irgendjemand aufgespießt worden. Mit viel Freude, Liebe und noch mehr Glitzer. Friendship is magic.

Und da ich zu wenig geschlafen habe und im Kopf immer noch nicht ganz klar bin, folge ich meiner letzten Drohung und präsentiere

5 Werke voller Sehnsucht 


1. Sans Soleil von Chris Marker


Eine Frau liest die Beobachtungen und Gedanken eines Mannes, der durch die ganze Welt reist und über die Veränderungen in ihr sinniert. Danach (eigentlich schon dabei) möchte man nichts anderes, als eine Weltkulturreise anzutreten. "Filmessay" mag unaufregend klingen, aber was könnte aufregender sein, als ein neuer Blick auf die Welt?

2. The Legend of Zelda: The Wind Waker von Nintendo

Die Freiheit auf See ist vielleicht die schönste Freiheit von allen. Auf sanften und manchmal weniger sanften Wellen hinaus in eine selbst in ihren düstersten Momenten freundliche, heimisch wirkende Cel-Shading-Welt. Als wäre man Held, Erforscher, Abenteuerer, Entdecker in einem großen Lieblingszeichentrickfilm. Die nächste Insel ruft schon.

3. Y Tu Mamá También von Alfonso Cuarón

Sehnsucht nach der Lust, nach dem Leben, nach etwas Neuem und nach dem perfekten Strand, falls es ihn überhaupt gibt. Im Hintergrund sucht ein Land nach einer (hoffentlich) neuen Identität, im Vordergrund dürfen zwei Jünglinge von einer Frau lernen, erwachsen zu werden: "You have to make the clitoris your best friend!" . "What kind of friend is always hiding?" Irgendwo da draußen ist übrigens ein Mensch, der diesen Film sah und dachte: "Der Regisseur muss unbedingt den nächsten "Harry Potter" drehen!"

4. Das wandelnde Schloss von Hayao Miyazaki

Der Zeiger über der Tür dreht sich und du trittst ganz woanders hinaus. Innendrin wärmt dich ein sprechendes Feuer, draußen wartet ein Welt voller Hexen, Hundespione und steampunk-mäßiger Wunder. Da können nebenher noch so viele Kriege toben, ich bin gerne dabei. Von mir aus auch als Putzkraft.

5. Out There von Mi-Clos-Studios

Das Weltall, unendliche Weiten. Allein, nach unbekannt vielen Jahren im Kälteschlaf, irgendwo am Rande der Galaxie. Sicher ist es stressig, immer auf Treibstoff, Sauerstoff und Schiffszustand zu achten, und ärgerlich, wenn man aus Mangel an etwas einen jähen Tod im Weltraum findet. Aber es kann so viel im nächsten System warten: Ein verlassenes Schiff zum Übernehmen, Aliens, die einem etwas Neues beibringen, Portale, die ins Ungewisse führen, Signale, denen man folgen kann, Risiken, die man auf sich nimmt oder umgeht. Genau das Richtige, wenn man schlafen geht, aber noch nicht schlafen will. Licht aus, Smartphone an und ab auf eine gemächlich-atmosphärische Reise ins Unbekannte.

Mittwoch, 17. Februar 2016

17. Februar 2016 | Die besten Morgen

Die besten Morgen, wenn man aufwacht und ganz neue Schmerzen in sich entdeckt. Die Gelenke wollen nicht richtig und die Knie gar nicht. Natürlich genau dann, wenn ich morgens in die Stadt muss. Nach einigen Schritten draußen wird es allerdings besser und als ich zuhause ankomme, bin ich wieder fit.

Was wir daraus lernen: Wenn der Schmerz zuschlägt, schlag zurück. Bewegen tut weh? Bewege dich, bis es nicht mehr weh tut. Habe ich eigentlich längst gelernt, dank meiner PS4. Bloodborne funktioniert nach diesem Prinzip. Wenn dich ein Gegner trifft, schlag zurück. Wenn er zum Angriff ausholt, greife selbst an. Durch Zurückweichen ist noch kein Sieg errungen worden (ich verallgemeinere bewusst). Und wer keinen Schild hat, kann sich auch nicht dahinter verstecken. Warum auch? Brust raus und durch. Stecht ruhig zu, ich halte das aus. Je offener du auftrittst, desto geringer ist die Angst. Schön, wenn man aus Videospielen etwas lernen kann (kann man häufiger, als man's vermuten würde).

Die eigene Krebsigkeit spiegelt sich weiterhin überall. Man geht ins Kino und sieht, wie ein Mann zum lebenden Tumor wird und darüber sinniert, dass sein Krebs seine Freundin mehr kaputt macht als ihn (wenigstens muss ich mit meinem Zustand keine Partnerin quälen). Man setzt sich an den PC und spielt ein Spiel und dort zieht eine Figur ihre Perücke ab und erzählt ihre Krankheitsgeschichte. Immerhin gab es in The Hateful Eight keine Tumore (gesellschaftliche, vielleicht). Mir wird das sonst alles zu meta. Das Universum scheint mir öfters überambitioniert zu sein mit seinen Zwischenverknüpfungen. Bleibt mal auf dem Boden, Welt. Und die Welt so: "Bleib du doch auf dem Boden!" Knacks, das war's mit deinen Gelenken/Beinen/was auch immer. Keine schöne Vorstellung, aber eine lustige.

Ich warte auf den Moment, wenn ich es nicht mehr aushalte und hier irgendwelche Listen von Filmen, Spielen, Büchern zusammenstelle. Ich mache weniges lieber. Wahrscheinlich bin ich an den Listen mehr interessiert als an den Werken, die in ihnen verzeichnet sind. Listen sind toll. Wartet auf sie und erschaudert vor Ehrfurcht.

Mein Hals fühlt sich nicht richtig an, meine Stimme ist im Ruhezustand, mein Rücken ist von Bewegungen gar nicht begeistert und unbestötigte Schwindelgefühle habe ich auch. Ich muss heute also auf jeden Fall zur Theaterprobe fahren. Ruhen kann ich, wenn ich tot bin. Oder alternativ an fast allen anderen Wochentagen.

Samstag, 13. Februar 2016

13. Februar 2016 | Schicksalsschläge

Es wird immer schlimmer.

Gestern wollte ich mich an einer bestimmten Stelle kratzen und stellte fest, dass meine Lieblingsjeans an der interessantesten Stelle gerissen ist.
Heute bin ich in Bloodborne einem neuen Bossgegner begegnet und war tot, bevor ich überhaupt in seine Nähe kam.
Das sind wahre Tragödien.
Dann doch lieber wieder eine Spritze in die Wirbelsäule. Ein Stich, paar Minuten ungutes Gefühl (das ist sowas Instinktives, dass in der Wirbelsäule eigentlich nichts stecken sollte), eine Stunde Rumliegen, Freiheit. Der Bloodborne-Boss geht nicht mit ein wenig Rumliegen weg. Die Hose lässt sich nicht mit einer Spritze richten (das wär's doch).

Dafür hilft mir Bloodborne dabei, Tode nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. Läufst irgendwohin, stirbst, was soll's. Passiert. Muss sogar passieren. Was dich nicht tötet, machst dich stärker. Was dich tötet, macht dich klüger. Und man muss ja irgendwie besser werden, Tag für Tag. Ich habe nicht mehr ganz so viel Zeit, einen hohen Level zu erreichen, ich muss mich beeilen. Was ich dafür tue? Auf der Couch liegen, vor'm Laptop hocken, Leute zum Filmeschauen einladen. Sollte reichen. Nach draußen kann ich, wenn's wieder warm ist. Wer jetzt mit "Russen müssen Kälte vertragen" ankommt, kriegt ein Hassgedicht.

Schön ist, dass fast alles, was ich momental medial erlebe, meine Situation anspricht. Vor einigen Tagen habe ich Die letzte Versuchung Christi geschaut und durfte lernen, dass Sterben seliger sein kann als Überleben. Ich erhebe ja keine Märtyrer-Ansprüche (noch nicht), aber man muss sich immer die besten Leute als Vorbilder nehmen, nicht?
Gestern gab's That Dragon, Cancer als Spielerlebnis (natürlich auch gut gewählt) und wieder denke ich: Das ist doch eigentlich schön, was man daraus machen kann. Wenn du leidest, mach einfach Kunst daraus. Je größer das Leid, desto eindringlicher die Kunst. Und das will ich doch sein, Künstler meiner selbst.

Wird alles anders klingen, wenn irgendwann richtige Schmerzen einsetzen. Aber als nicht vierdimensionales Wesen kann mir das erstmal egal sein.

Dienstag, 9. Februar 2016

9. Februar 2016 | Rhythmus

Ja, ich musste erst einmal googlen, wie man "Rhythmus" richtig schreibt.
Hätte ich ohne übrigens falsch gemacht.

Warum "Rhythmus"? 1, 4, 9 klingt nach einer guten Folge und sonst wird man zu faul und das "Projekt" stirbt am Ende noch schneller als man selbst.
Das wäre doch zu tragisch (und dabei lese ich mich doch so gerne schreiben).

Ein Rhythmus ist bei der Behandlung natürlich auch wichtig. Jeden morgen 3 Pillen hiervon und eine Pille davon, am Abend noch eine Pille davon ("davon" und "davon" sind dieselben). Jeden Samstag noch so'n heftiges Teil. Alle 4 Wochen eine Spritze in die Wirbelsäule (morgen wieder, hurra) und alle anderen 4 Wochen die Körperbrecher-Infusion vom letzten Eintrag. So weit, so gut. Besser als jeden Morgen um 6 aus dem Bett zur Bestrahlung kriechen und danach regelmäßig kotzen. Man kotzt übrigens leckerer, wenn man davor etwas (Billig-)Cola trinkt. Kommt süßer raus. Habe ich damals 2012 gelernt (Bildung für's Leben). Ei bei Übelkeit ist aber gar nicht gut. Kommt oben gefühlt so raus, wie's untenrum schmecken würde. Nicht schön.

Und was macht man, wenn man kurz aufgrund einer Erkältung aus dem Wochenrhythmus fällt? Hart ausschlafen (11 Stunden tun gar nicht schlecht, zur Abwechslung), den Mittag mit schönen Dingen wie Internet und Essen verbringen und danach stundenlang rätseln, worauf man Lust hat. Ich habe immer Lust auf alles, aber nicht immer auf etwas Bestimmtes. Da tut es gut, wenn man sich "Verpflichtungen" wie diesen Blog setzt, oder noch schmutziges Geschirr rumsteht. Ja, ich spüle sogar ganz gerne. Hübsche Frauen, meldet euch, das Angebot ist zeitlich limitiert (*lacht düster und grässlich*).

Ich bräuchte mal Leser. Oder Feedback. Oder wenigstens das Gefühl, dass jemand mitliest und mitlacht. Ich kann so ein Ding ja nicht einfach auf Facebook reinschmeißen, dann kriege ich mehr Nachrichten als ich zählen kann und muss sie noch alle beantworten. Dann wird's nichts mehr mit der Liste der Videospiele, die ich vor dem Tod noch spielen muss (ja, muss). Und die ist lang und schön und wichtig.
Andererseits hilft Schreiben beim Denken. Und beim Schreiben sowieso. Und irgendwas muss man ja schreiben. Ja, muss.

Freitag, 5. Februar 2016

5. Februar 2016 | Weiter geht's

Vor der Infusion des Zeugs zum Knochensubstanzaufbau (wir erinnern uns: Metastase im Brustwirbelsäulenwirbel) meinte der Arzt, am Tag danach könnten Fiebersympatome auftreten.
Wusste gar nicht, dass höllische Bauschmerzen zu Fiebersymptomen gehören.
Immerhin haben die Schmerzmittel endlich mal wieder gewirkt und ein wenig schwitzen und aushitzen haben noch niemanden umgebracht.
Den Tag danach gabe es durchgehend ein "Geh doch sterben"-Gefühl im ganzen Körper, hat aber noch für einen Filmabend gereicht. Die Mitschauer sind glücklicherweise nicht erstickt, obwohl ich aufgrund ständigen Schüttelfrosts geheizt habe wie [insert stupid holocaust joke here].
Jetzt ist aber alles wieder knorke (da Rücken- und Brustschmerzen für mich mittlerweile normal sind. Man gewöhnt sich ja an alles).

Musste feststellen, dass ich nicht in alle gewählten Veranstaltungen im nächsten Semester zugelassen wurde und die zweite Frist verpasst habe. Als ob ich in diesem Zustand (plus ein paar mehr Monate langsamen Verfalls) hingegangen wäre. Schön, wenn man solchen eigentlichen Aufregern mit einem geherztem "Was kümmert's mich"-Schulterzucken begegnen kann. Arbeit macht frei, sagten sie? Sterben macht frei, sage ich.

Das ist Dimi.
Dimi wird relativ bald sterben.
Dimi heult aber nicht deswegen rum, sondern zockt, wann immer er zocken kann, und lädt Leute zum Filmeschauen ein, wann immer Leute Zeit haben, bei ihm Filme zu schauen (so ungefähr).
Dimi ist cool.
Sei wie Dimi (minus das mit dem Sterben).

So, genug Selbstbeweihräucherung für heute. Ich müsste öfter Einträge schreiben, aber vor allem muss ich bald Life is Strange fertigspielen. Diese Spielserie zerreißt mich regelmäßig emotional und das im positivsten Sinne. Sucht ist Sucht, was will man dagegen machen.

Montag, 1. Februar 2016

1. Februar 2016 | Hallo

Hallo.
Ich heiße Dmitrij Panov und ich werde bald sterben.
Klingt komisch, ist aber so.
Aber vielleicht sollte ich von vorne anfangen.

Ich wurde geboren...nein, schon falsch. Vielmehr wurde mein lebloser Körper am 13. Januar 1991 auf dem Gebiet der gerade noch so existierenden Sowjetunion aus dem aufgeschlitzen Bauch meiner Mutter rausgezogen und anschließend mehrere Stunden wiederbelebt.
Auch eine Art, einen etwas komplizierteren Kaiserschnitt zu beschreiben.
In dem Sinne müsste ich mit dem Tod ganz gut vertraut sein, ich kam ja schon tot zur Welt. "Der Totgeborene", so nenne ich mich manchmal spaßeshalber (oder doch mit völligem Ernst? Ich weiß es selbst nicht mehr).
(Gar nicht mal so) Harte Kindheit im kalten Russland, 1999 die atemlose Flucht nach Deutschland (eigentlich ganz zivil mit zwei Flügen und einem Zwischenaufenthalt in Moskau, wo ich Bücher über Katzen gelesen und "Flucht aus L.A.", der mir damals so gar nicht mundete, gesehen habe). Dann klassischer Streberweg von Grundschule über Gymnasium hin zum (Psychologie-)Studium in Marburg, dann direkt, Ende 2011, kurz nach Studiumsbeginn, wochenlange Schmerzen, irgendwann Schwindel, Übelkeit, spontanes Umfallen auf dem Weg zum Klo oder in die Küche, bis ich nach dem Umweg über Orthopäde, Physiotherapeutin und Hausarzt beim Neurologen einfach im Wartebereich, noch mit meinem DS Lite in der Hand, langsam vom Stuhl gefallen bin, aufgefangen wurde und im Uniklinikum landete. Dort wurde ich durch die Gegend gefahren, schamloserweise ausgezogen und wachte irgendwann vor einem Haufen Ärzte auf. Und die so: Sie haben einen Gehirntumor und werden morgen früh operiert.
Und ich so: Yaaay, endlich weiß ich, was mit mir los ist! Und es ist bald rum!
Pure Euphorie. Nicht ganz so, wie wenn man einem schweren Boss in Dark Souls oder Bloodborne endlich die verdiente Sterbehilfe leistet, aber nah dran.
In den Tagen danach lernte ich die Vorzüge von starken Narkosemitteln (diese Bilder!) und Blasenkathetern (Pinkeln gehen ist was für den Pöbel), machte wieder einmal meine ersten Schritte und schleichte nach 10 Tagen wieder durch die Welt. Es folgten Bestrahlung (meh) und Chemo (egal) und jahrelang war alles gut.
Wäre nicht schlecht, wenn es an dieser Stelle enden könnte.
April 2015 dann überraschend ein Rezidiv, wieder OP, Bestrahlung (diesmal auch egal) und Chemo (sowieso). Gut, ein 3-4-Jahresrhytmus ist irgendwo okay. Denkste
Ende 2015 neues MRT, neues Glück und Jackpot: Schönes neues Rezidiv, das vor Freude direkt in die Wirbelsäule gekotzt (gestreut) hat und sich mit einer Metastase in einen Wirbelkörper gesetzt hat (vielleicht noch mehr, aber das müsste noch gefunden werden). Prognose irgendwas mit "können nur noch versuchen, es zu verlangsamen, wegzukriegen ist nicht mehr" und "irgendwann - in relativer Bälde - werden Sie zum Pflegefall und sterben dann". Yaay. Aus der Traum vom Vaterschaftsurlaub und der gemütlichen Rentezeit voller Videospieleabende.

Soweit in aller Kürze. Was ich davon so halte? Ich schwanke irgendwo zwischen "Passiert" und "Gibt Schlimmeres". Man kann ja auch bei lebendigem Leibe von Ameisen gefressen werden. Oder aufwachen und feststellen, dass man Donald Trump ist. In Relation dazu geht's mir ja eigentlich echt gut.
Ich bin in meinem WG-Zimmer umringt von zig Filmen und Spielen (jeweils an die 650), ein paar (hundert?) Büchern und Comics und was will man(n) eigentlich mehr. Und bei der Prognose kann ich mich mit gutem Gewissen all dem hemmungslos widmen (und endlich mal ein paar Freunde in Berlin und Hamburg und sonstwo besuchen fahren). Ich schlucke momentan 5 Tabletten am Tag, kriege ab und zu eine Spritze in die Wirbelsäule (supergeil) und gerate bei jedem neuen Schmerz in Panik (momentan ist es der linke Brustkorb). Ansonsten gönne ich's mir hart, was Videospiele angeht, und versuche, möglichst viele private Filmabende für meine Freunde zu veranstalten (läuft).

Warum dieser Blog? Irgendwas muss man doch hinterlassen, wofür man nicht in die Kanalisation steigen muss, um's zu finden. Und zur allgemeinen Selbst- und fremden Voyerismusbefriedigung. Im Tod wie im Leben bleibe ich doch immer eine kleine (große) Fame-Hure.
Mit dem Leitsatz "Only the Lord and I shall know. And that shall be sufficient." (Alan Moore, From Hell).